Quellen zur Broschüre §218

Quellen zur wokidoki-Broschüre zur Entkriminalisierung von §218

Die Broschüre „Gott gab uns eine Stimme“ spricht für kein kirchliches Gremium. Wir haben die theologischen Argumente anhand verschiedener theologischer Quellen zusammengestellt, es gibt aber noch viele mehr. Die Theologin Susanne Sengstock schrieb uns dazu sehr weise:

„Mit der Bibel ist es nicht so einfach. Für jede Aussage gibt es eine andere Stelle, die das Gegenteil sagt. Das ist kein Fehler, sondern Programm. Denn so vielschichtig wie das Leben sind auch die biblischen Texte vielschichtig. Zudem können biblische Texte unterschiedlich verstanden, ausgelegt werden und sind zu kontextualisieren. Das macht unseren Glauben ja so lebendig. Die Bibel enthält keine systematisch-theoretische Reflexion zu ethischen Themen wie den Schwangerschaftsabbruch. Sie erzählt Geschichte(n), beschreibt konkrete Situationen, die meist Freiheit und Gerechtigkeit thematisieren. Mit Hilfe dieser Erzählungen können wir heute unsere ethischen Urteile, Haltungen und Überzeugungen bilden oder überprüfen.“

Auch für unsere Beispiele in der Broschüre gibt es direkte Gegenbeispiele. Der rechtlichen Anweisung in Ex 21,22-23, dass bei einem tödlichen Angriff auf eine Schwangere der Täter die Todesstrafe erhält, steht 1. Thes 5,15 entgegen: „Passt auf, dass niemand Böses mit Bösem an anderen vergilt, sondern sucht immer das Gute untereinander und bei allen.“ Welcher der beiden Aussagen soll man nun folgen? Im selben Psalm 139, der besagt, dass wir „im „Mutterleib gewoben“ werden, steht auch: „Deine Augen sahen mich an, da ich noch nicht bereitet war.“ Kann das als Argument gegen Schwangerschaftsabbrüche gelesen werden?

Unsere Broschüre kann nur eine Auseinandersetzung anregen, in der die Urteilskraft des Einzelnen durch die Diskussion, im Hören verschiedener Auslegungen der Bibeltexte sowie durch das Abgleichen mit Wissen aus Medizin, von gesellschaftlichen und politischen Zuständen sowie neuen Erkenntnissen der Rechtswissenschaft geschärft wird.

Stöbern Sie deshalb bitte auch in unseren anderen Texten zum Thema auf dieser Seite und lesen Sie die Originalquellen der Broschüre, die wir hier unten auflisten, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Wir hoffen, dass mit diesen Anregungen viel geforscht, gestritten, zugehört und mehr Gerechtigkeit erfochten wird.

Stevie Schmiedel für wokidoki

Dr. Stevie Schmiedel ist promovierte Kulturwissenschaftlerin und lehrte an der Evangelischen Hochschule in Hamburg in den Sozialwissenschaften, bevor sie verschiedene Nichtregierungsorganisation gründete. Sie war von 2007-2011 erste Genderbeauftragte und Kirchengemeinderat-Mitglied in Hamburg-Eimsbüttel.

Theologisch:

Angeregt wurde die Broschüre durch einen Vortrag, den Dr. Lea Chilian, Theologin und Oberassistentin für Sozialtethik der Universität Zürich, in epd-Dokumentationen 36/2022 als Text veröffentlichte. Er trägt den Titel „Das ungeborene Leben in seiner Beziehung zur schwangeren Frau. Theologische Perspektiven“. Der Fokus auf Eva und den Fall aus dem Paradies speist sich aus den theologischen Erkenntnissen von Prof. Dr. Isolde Karle von der Ruhr-Universität Bochum in ihrem Buch „Da ist nicht mehr Mann noch Frau … – Theologie jenseits der Geschlechterdifferenz“, Gütersloher Verlagshaus 2006, z.B. S. 209. Viele weitere Theologinnen und Theologen haben sich zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen geäußert, ihre Schriften bilden den Hintergrund der in der Broschüre erwähnten, aktuellen evangelischen Haltung. Hier finden Sie eine exemplarische Zusammenfassung. Besonders hervorzuheben ist Dr. Antje Schrupp, die sich mit dem Begriff des „Tötens“ in der Debatte intensiver auseinandergesetzt hat.
Weitere Quellen finden Sie hier:
– Anselm, Reiner; Bahr, Petra; Dabrock, Peter; Schaede, Stephan (11-2023), Dem tatsächlichen Schutz des Lebens dienen. Theologische Überlegungen zur Diskussion um den rechtlichen Umgang mit dem Schwangerschaftsabbruch, online: https://zeitzeichen.net/node/10791
– Ernst-Wilhelm Gohl (12-2023), Gott bleibt ein Freund des Lebens. Anmerkungen zum aktuellen Debattenstand um die EKD-Stellungnahme zur Neuregelung des § 218, online: https://zeitzeichen.net/node/10861
– Körtner, Ulrich H.J. (10-2023), Getrennte Wege. Über die Stellungnahme der EKD zu einer § 218-Reform, online: https://zeitzeichen.net/node/10739
– Fischer, Johannes (12-2023), Warum die besseren Argumente bislang noch fehlen. Kritische Anmerkungen zur Position von Reiner Anselm, Petra Bahr, Peter Dabrock und Stephan Schaede in der Debatte um die Abschaffung des §218, online: https://profjohannesfischer.de/wp-content/uploads/2023/12/Texte-Anselm-Bahr-Dabrock-Schaede.pdf
– Weilert, A. Katarina (2023): „EKD zur Abtreibung: Schutz für wen?“, in: eulemagazin (20. Oktober 2023) (https://eulemagazin.de/ekd-zur-abtreibung-schwangerschaftsabbruch-evangelisch-kirche-bundesregierung/)
– Weilert, A. Katarina (2023): „Wozu § 218 StGB? Ein nüchterner Blick auf ein heikles Thema“, in: evangelische aspekte (https://www.evangelische-aspekte.de/wozu-§-218-stgb/)
– Kohler-Weiß, Christiane: Phänomenologie der Schwangerschaft
– Kreitzscheck, Dagmar: Erfahrungen im Umfeld von Schwangerschaftsabbrüchen
-> beide in W. Härle, Ethik im Kontinuum. Beiträge zur relationalen Erkenntnistheorie und Ontologie (MThSt 97, Marburg 2008.
Ein Blick ins Ausland lohnt auch:
Reader in Abortion and Religion, ed. By Rebecca Todd Peters, Margaret D. Kamitsuka, T&T Clark 2023, darin z.B. Kate Ott: reproducing justice; Toni M. Bond: A womanist theo-ethic of reproductive justice

Gesellschaftlich:

Über die Reduzierung von Schwangerschaftsabbruchstellen ist breit berichtet worden.

Ebenso über die sogenannte „Gehsteigbelästigung“.

Das zahlreiche Löschen von Zyklus-Apps war 2022 ein Medienthema.

Medizinisch:

Die mangelnde Ausbildung im Medizinstudium ist hier thematisiert.

Hier eine aktuelle Studie zum Schmerzempfinden des Fötus.

Hier wird zur Frage von lebensfähigen Frühgeburten berichtet.

Hier eine Quelle zur Frage, wie viele Frauen regelmäßig menstruieren

Juristisch:

Der Deutsche Juristinnenbund (DJB) erstellte 2022 ein Policy Paper, das Sie in dieser Pressemitteilung finden.